Landkreisbehörden beharren auf „Rechtslage“ – Abwälzung des Straßenunterhalts auf Oberhausen?
Zwischen Oberhausen und Peißenberg nutzen LKW-, aber auch PKW-Fahrer häufig die Kreisstraße WM 15, statt die längere Strecke über die gut ausgebaute Bundesstraße 472 zu fahren (siehe Skizze). Nach dem Unfalltod eines Siebenjährigen im Jahr 2011 auf der WM 15 appellierte das Landratsamt an den Durchgangsverkehr, doch die Umgehung Peißenberg auf der B 472 zu nehmen. Später wurden dann noch einige Wegweiser ausgetauscht, um den Verkehr durch Oberhausen zu reduzieren – mit mäßigem Erfolg. Auch ein weiterer Appell des Landrats brachte keine nennenswerte Reduzierung des Verkehrsaufkommens auf der WM 15.
In einem Schreiben der Umweltinitiative Pfaffenwinkel e. V. (UIP) an die Bayerische Oberste Baubehörde im Innenministerium vom 30. Juni 2012 wurden die Probleme aufgezeigt. Abschließend stellt die UIP darin fest:
Durch fehlende Lärmschutzeinrichtungen und höhere Abgasbelastungen besteht eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität für die Menschen, die entlang der befahrenen Strecke wohnen und arbeiten. Die unvermeidbaren gesundheitlichen Folgen zeigen sich erst später. Die unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht permanent, besonders für ältere Personen und für Kinder.
Die UIP fordert die Behörde auf:
Bitte sorgen Sie dafür, dass schnellstens eine unbürokratische Lösung im oben genannten Sinn erreicht wird und den Anwohnern dort der Lärm, die Abgase und die Gefahren des Schwerlastverkehrs zukünftig erspart bleiben. Sperren Sie die Kreisstraße WM 15 zwischen Peißenberg-Wörth und der Einmündung in die B 472 in Oberhausen für den Durchgangs-Schwerlastverkehr über 7,5 t.
Die Antwort des Bayerischen Innenministeriums vom 13.8.2012 enthält neben ein paar nebensächlichen bürokratischen Erläuterungen folgende Kernaussage:
Grundsätzlich stehen den Straßenverkehrsbehörden die von § 45 StVO vorgegebenen Mittel für Eingriffe in den fließenden Verkehr zur Verfügung. Verkehrsbeschränkungen kommen beispielsweise aus Gründen des Lärmschutzes (§ 45 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 StVO) oder aus Gründen der Verkehrssicherheit (§ 45 Abs.1 Satz 1 StVO) in Betracht. Sie sind gemäß § 45 Abs.9 Satz 2 StVO aber nur dann zulässig, wenn aufgrund der örtlichen Verhältnisse eine besondere Gefahr der Beeinträchtigung geschützter Rechtsgüter – hierzu gehören auch Gesundheit und Leben der Verkehrsteilnehmer, aber auch der Schutz vor Lärm – besteht, die ein Einschreiten zwingend erforderlich macht.
Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass für die Prüfung in diesem Fall das Landratsamt Weilheim-Schongau als untere Verkehrsbehörde zuständig ist und das Schreiben weitergeleitet wird.
In der Antwort des Landratsamts Weilheim-Schongau, die Regierungsrat Guggemos unterzeichnet hat (Eingang am 6.9.2012), ist Folgendes festgestellt:
Am 28.11.2011 wurde die Problematik intensiv und aus verschiedenen Sichtweisen in einem gemeinsamen, mehrstündigen Gespräch mit allen tangierten Behörden, selbstverständlich auch der Gemeinde Oberhausen, erörtert. Maßstab war dabei die Rechtslage. (…) Der Forderung der UIP nach Sperrung der WM 15 für Fahrzeuge über 7,5 t (Anmerkung B. M: Sperrung für den Durchgangsverkehr über 7,5 t war gefordert) steht nach wie vor die unbeschränkte Widmung dieser Kreisstraße entgegen. Für Beschränkungen aus Lärmschutzgründen fehlen die rechtlichen Voraussetzungen, nämlich Lärmberechnungen mit entsprechenden Ergebnissen.
Da stellen sich für mich folgende Fragen:
- Die Aussage des Innenministeriums gibt die Rechtslage eindeutig vor: „Gesundheit und Leben der Verkehrsteilnehmer und der Schutz vor Lärm“ (also auch für Fußgänger, Radfahrer, Anlieger). Welche Rechtslage meint Herr Guggemos?
- Aus der Antwort des Innenministeriums geht nicht hervor, dass eine Kreisstraße unbeschränkt gewidmet* sein muss. Die WM 15 ist nach Forderung der UIP grundsätzlich auch für alle Fahrzeuge gewidmet, mit Ausnahme des Durchgangsverkehrs über 7, 5 t (aber „Anlieger frei“). Wo ist das Problem?
- Herr Guggemos bemängelt die fehlenden Lärmberechnungen. Wer ist denn für diese Maßnahme an einer Kreisstraße zuständig?
- Regierungsrat Guggemos schreibt in einem Artikel des Weilheimer Tagblatts vom 16.12.2009 indirekt, dass die Sperrung einer Kreisstraße (für den Lkw-Durchgangsverkehr) im Ausnahmefall doch möglich ist, und in einer Pressemitteilung des Landratsamtes vom 9.12.2011 (Nr. 217/2011) wird festgestellt, dass die Bürger von Oberhausen vom Durchgangsverkehr auf der Kreisstraße WM 15 unnötig belastet werden, insbesondere vom Schwerlastverkehr. Wozu diese Feststellungen, wenn nicht Entscheidendes zum Schutz der Bürger geschieht?
Die Gemeinde Oberhausen könnte nun die Herabstufung der Kreisstraße zu einer Gemeinde(verbindungs)straße beantragen, um die Gestaltungshoheit darüber zu erlangen. Und schon hätte das Landratsamt wieder einmal sein Ziel erreicht: Möglichst viele Kreisstraßen loszuwerden und die Unterhaltskosten den Gemeinden aufzubürden.
Bernhard Maier,
gleichberechtigter UIP-Vorsitzender und
Mitglied im UIP-Arbeitskreis Verkehr
* Widmung ist eine Allgemeinverfügung, durch die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer „öffentlichen Straße“ erhalten. Die Widmung wird von der zuständigen Straßenbaubehörde verfügt und öffentlich bekannt gemacht. Durch die Widmung wird der Gebrauch der Straße jedermann gestattet und die Straße in eine Straßengruppe eingestuft. In der Widmung kann auch geregelt werden, dass Verkehrsflächen nur eingeschränkt öffentlich genutzt werden (Fußgänger- oder Radfahrerverkehr oder Sperrungen für bestimmte Fahrzeuge).
Anlieger ist, wer ein an der Straße anliegendes Grundstück bewohnt oder zu einer Erledigung aufsuchen muss.