Der Lech hat es verdient, dass möglichst viele Menschen für ihn kämpfen. So lässt sich der Abend im vollen Schongauer Sparkassenforum zusammenfassen. Alfred Gößmann hielt dort auf Einladung der Umweltinitiative Pfaffenwinkel am 24. September einen aufrüttelnden Vortrag über den Lech und seine Zukunft.
Der als Orchideenkenner und Naturschützer bekannte frühere Biologielehrer wollte Denkanstöße für die Zukunft geben und präsentierte deshalb den Lech zunächst in seiner ursprünglichen Schönheit als wilden Alpenfluss. Extremes Niedrigwasser im Winter und Hochwasser zu Zeiten der Schneeschmelze veränderten ständig die Flusslandschaft. Denn das Wasser schichtete Kiesbänke und Geröll um und schuf (und erhielt) Lebensräume für eine Vielzahl von Pionierpflanzen und -tiere, die sich den Lech entlang ausbreiteten und ihn zu einer einmaligen Biotopbrücke machten. So war das früher.
Historischen Fotos stellte Gößmann Aufnahmen aus heutiger Zeit gegenüber und konnte so eindrucksvoll zeigen, was alles verloren gegangen ist, seit der Fluss mehr als jeder andere als Energiequelle genutzt wird. Denn ab 1943 wurden zwischen Schongau und Landsberg Staustufen errichtet für die Rüstungsindustrie. Dort setzte Arno Fischer, ein hoher Ministerialrat, mit Hilfe der NSDAP und der neu gegründeten BAWAG durch, dass „überflutbare Unterwasserkraftwerke“ mit von ihm entwickelten Turbinen gebaut wurden, obwohl es längst effizientere Turbinen gab. Diese Turbinen laufen bis heute. Auch nach dem Krieg behielt die BAWAG ihre Konzessionen, die erst nach 90 Jahren auslaufen.
Heute wird der Fluss von Roßhaupten bis Augsburg durch 21 Staudämme und 21 voneinander getrennte Stauseen zerschnitten. Die Staudämme sind für Fische flussaufwärts nicht zu überwinden. Nur bei der 1992 errichteten Staustufe bei Kinsau gibt es ein Umgehungsgerinne als Fischaufstiegshilfe. Außerdem leiden die Fische unter dem Schwellbetrieb der Kraftwerke, der den Wasserstand je nach Strombedarf sehr schnell steigen und fallen lässt.
Da der Lech kaum Strömung hat, bleibt alles Geschiebe (Geröll) im Forggensee liegen und drohen die Stauseen zu verschlammen. Lechabwärts fehlt der Geröllnachschub. Deshalb ist das Flussbett nicht mehr geschützt, sodass sich das Wasser eingraben kann („der Lech tieft sich ein“) und nun droht, die wasserundurchlässige Flinzschicht zu durchstoßen.
Nur 1,5 Prozent der bayerischen Stromerzeugung stammen nach Gößmanns Recherchen aus Kraftwerken am Lech. Er wünscht sich deshalb für die Zukunft zumindest die teilweise Renaturierung des Lechs. Und die ist möglich, wenn der politische Wille dafür da ist. Denn auch der Totalausbau des Lechs war nur möglich, weil die Politik das so wollte. Erhalten bleiben sollen die Vorteile der Staustufen: der funktionierende Hochwasserschutz, die Lechübergänge und die attraktiven Seen.
Wie soll es weitergehen? Der Schwellbetrieb muss eingestellt werden. Der Lech soll an möglichst vielen Stellen wieder frei fließen können und Hochwasser werden wieder zugelassen, soweit sie niemanden gefährden. Nur ein Teil der Konzessionen soll verlängert werden, aber unter der Bedingung, dass eine ökologische Verbesserung, also zumindest die Durchlässigkeit für Fische und Geschiebe, damit verbunden ist. Das schreibt nicht zuletzt die Europäische Wasserrahmenrichtlinie vor. Der Staat, der die Konzessionen vergibt, muss diese Verbesserungen von den Kraftwerksbetreibern fordern.
Bei der anschließenden Diskussion bezweifelte Günther Groß von der Lechallianz, dass die Durchlässigkeit für Geschiebe herzustellen ist, da in einem Stausee Kies immer liegen bleibt. Es müsse wohl auch weiterhin lastwagenweise der noch vorhandene Kies vom Unterlauf des Lechs entnommen und bei Augsburg wieder in den Lech geschüttet werden, um die Flinzschicht zu schützen.
Der Lechausbau sei nur möglich gewesen, weil die BAWAG und die Nazi-Regierung ebenso wie später die bayerische Landesregierung diesbezüglich an einem Strang zogen. Eberhard Pfeuffer ergänzte, dass nach dem Krieg der Kampf gegen den Lechausbau zu einer der größten Protestbewegungen der Nachkriegszeit führte. Bis heute unvergessen und mit einem Denkmal am Lech geehrt ist der erfolgreiche Einsatz von Otto Kraus (unter anderem) für die Litzauer Schleife.
Das landschaftliche Kleinod Illasbergschlucht wurde nicht, wie vereinbart, erhalten, sondern versank im Forggensee. Ob der Bau der Staustufe bei Roßhaupten deshalb ein Schwarzbau war, fragte Josef Rauwolf aus Halblech. Eberhard Pfeuffer antwortete, die BAWAG war ein halbstaatliches Unternehmen, da war viel möglich, was heutzutage nicht mehr genehmigungsfähig wäre. Die Öffentlichkeit aber ist wachsam geworden. Er erinnerte an den Protest der österreichischen Bevölkerung gegen die geplante Verbauung eines Tiroler Nebenflusses des Lechs, des Streimbachs, die daraufhin nicht mehr weiterverfolgt wurde. Massenhafter Protest zeigt Wirkung. Das sollte uns Ansporn sein.