Um den Neubau von sogenannten „kleinen“ Wasserkraftwerken zu verhindern, haben fünf Naturschutzorganisationen im Landkreis eine gemeinsame Pressemitteilung veröffentlicht.
Sorge bereitet den Naturschutzorganisationen im Landkreis ein erneutes Aufflackern von Plänen zur Nutzung der „kleinen“ Wasserkraft – mit Anlagen bis 1000 kW Leistung. Sowohl die Forderung der Freien Wähler im Landkreis Weilheim-Schongau über eine Zusammenstellung aller zur zusätzlichen Stromgewinnung geeigneten Gewässer innerhalb des Aktionsplans zur Energiewende im Landkreis als auch die aktuellen Pläne für den Wiederanstau des Steinbachs am Lido bei Seeshaupt passen nicht mehr in die heutige Zeit.
Fachleute der Fischerei, Wasserwirtschaft, Gewässerkunde und des Naturschutzes senken den Daumen: Kleinwasserkraftanlagen richten zu viel Schaden an der Natur an und produzieren zu wenig Strom. 91 % des möglichen Wasserkraftpotentials in Bayern wird bereits genutzt, wobei die 250 größten Kraftwerke 92 % des daraus entstehenden Stroms produzieren. Die restlichen 8 % der elektrischen Energie aus Wasserkraft werden von 4000 Klein- und Kleinstanlagen erzeugt, die unverhältnismäßig viel Schäden an den Gewässern anrichten und lediglich einen minimalen Anteil von nur 1,5 % an der Gesamtstromerzeugung ausmachen.
Auch wenn ein kleiner Fisch es noch schafft, bei einer der wenigen, gut funktionierenden Fischaufstiegshilfen das Wehr zu umgehen, gerät er beim Schwimmen den Fluss hinab unweigerlich in die Turbine, weil die Gitterabstände einen gewissen Abstand brauchen, um noch genügend Wasser passieren zu lassen. Mindestens jeder fünfte Fisch, der sich mit dem Hauptwasserstrom Richtung Turbine treiben lässt, wird dort tödlich gehäckselt. Auch die sonstigen Wasserparameter wie Temperatur, Verschlammung und Sauerstoffdefizit werden durch die vorgeschalteten Staubecken massiv verschlechtert, sodass mittlerweile laut Landesamt für Umwelt über 90 % der Fließgewässerfischarten Bayerns auf den Roten Listen der bedrohten Arten stehen.
Alle großen Naturschutzorganisationen in Bayern wie Bund Naturschutz, Landesbund für Vogelschutz, Landesfischereiverband und der WWF Deutschland protestieren vehement gegen einen weiteren Ausbau der Wasserkraft und eine damit verbundene weitere Beeinträchtigung unserer letzten halbwegs intakten Fließgewässer.
Die „kleine“ Wasserkraft ist keine Lösung des Energieproblems. Hierfür stehen Windkraft, Photovoltaik, Solarthermie sowie oberflächennahe Geothermie zur Verfügung. Gleichzeitig müssen wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass die umweltfreundlichste und günstigste Kilowattstunde diejenige ist, die wir gar nicht erst verbrauchen.
Auch das Bundesamt für Naturschutz sieht in seinen Kernforderungen zur Wasserkraft vom März 2014 in kleiner Wasserkraft keinen gesellschaftlichen Nutzen und fordert den Ausbaustopp für diese Anlagen: „Der Neubau kleiner Wasserkraftanlagen (< 1 MW installierte Leistung) ist nicht weiter zu verfolgen, da eine wirtschaftliche Betriebsführung bei gleichzeitiger Umsetzung gesetzlicher Vorgaben zur Minimierung der ökologischen Auswirkungen nicht möglich erscheint und der Beitrag dieser Anlagen an der gesamten Wasserkraftproduktion, wie auch zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes, zu gering erscheint.“ Dieser Forderung schließen sich alle Unterzeichner an.
Besonders fatal ist derzeit die Reaktivierung der Wasserkraft am Lido bei Seeshaupt, wo allenfalls der Planer und der Investor ihre Interessen gegen die Mehrheit im Gemeinderat vertreten. Der Steinbach verbindet den Starnberger See mit dem Verbund aus über 20 Seen im einzigartigen Naturschutzgebiet Osterseen. Er ist die Biotopbrücke für Fische und andere Gewässerorganismen schlechthin. Hier eine Turbine einzubauen, wäre Frevel an der Natur und unserem Naturerbe und im Übrigen auch ein Verstoß gegen die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, die ein Verschlechterungsverbot für Fließgewässer vorgibt.
- Bund Naturschutz, Kreisgruppe Weilheim-Schongau
- Fischereiverband Oberbayern
- Landesbund für Vogelschutz, Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen/ Weilheim-Schongau
- Umweltinitiative Pfaffenwinkel
- WWF Deutschland, Büro Wildflüsse Alpen Weilheim