Teil 1
Fast unbemerkt – und bereits von der beginnenden Coronapandemie überschattet – jährte sich Ende Februar der erste Jahrestag seit Gründung des Arbeitskreises Fuchstalbahn in der Umweltinitiative Pfaffenwinkel (UIP).
Ziel des Arbeitskreises ist die Reaktivierung der Fuchstalbahn für den Personennahverkehr auf der Schiene. Geschlossen werden soll dabei die Lücke zwischen Schongau und Landsberg. Derzeit werden die gut erhaltenen Gleise allein für den Güterverkehr genutzt. Vorrangig galt es, die Strecke und den Güterverkehr in ihrem Bestand zu sichern und Schritte in Richtung Reaktivierung einzuleiten.
Ein fester Kreis von drei bis acht Mitgliedern traf sich seitdem alle vier Wochen. Es wurden geeignete Schritte und Aktionen überlegt, um die gesteckten Ziele zu erreichen oder ihnen näherzukommen. Von Anfang an hielten wir Kontakt zu Pro Bahn Oberbayern, mit der wir eng zusammenarbeiteten und Unterstützung erhielten.
Ende Februar 2019 zwang uns ein Brandbrief des Schongauer 1. Bürgermeisters an das Staatsministerium für Verkehr über eine drohende Streckenstilllegung zum sofortigen Handeln. Anfragen an die Deutsche Bahn und ein Gespräch mit der Geschäftsleitung der Papierfabrik waren die ersten Schritte.
Dann galt es, Kontakte zu knüpfen und Kenntnisse über die schwierige Materie zu sammeln. Die ersten Monate waren geprägt von Gesprächen mit Mitgliedern des bayerischen Landtages, mit Andreas Krahl (B90/Grüne), Harald Kühn (CSU), Hans Friedl (FW), dann Michael Kiessling (MdB). Wir waren im Juni im Landtag bei einer Expertenanhörung zum Nahverkehr zugegen und knüpften dort Kontakte. Daraus ergaben sich wiederum Gespräche mit der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) und einem leitenden Mitglied für die Sparte Eisenbahn des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).
Das Gespräch mit der BEG Anfang September in München brachte Klarheit über das Prozedere und die Voraussetzungen einer Prüfung der Reaktivierung durch die BEG.
Diese Erfolge konnten wir bis Anfang Herbst verbuchen:
Die Strecke war in ihrem Bestand gesichert, die drohende Stilllegung abgewendet worden – und die Fuchstalbahn befand sich auf der Vorschlagsliste des VDV, was Anlass für einen ganzseitigen Artikel in den Schongauer Nachrichten war. Seit Neustem befindet sich die Strecke auf der Liste eines Prüfungsausschusses für Reaktivierungen der Deutschen Bahn.
Deutlich wurde, dass die Öffentlichkeitsarbeit bislang zu kurz kam. D. h. unsere Ziele und bisherigen Erfolge sollten ab jetzt auch durch Aktionen bekanntgemacht werden.
Gelegenheit hierzu boten Sonderfahrten des Bahnparks Augsburg von Schongau nach Landsberg/Augsburg. An den Bahnhöfen Schongau und Landsberg waren wir und Pro Bahn mit Infoständen vertreten. Wir nutzten die Aktionen auch für Pressegespräche, an denen u. a. Ludwig Hartmann (B 90/Grüne), der Kabarettist Helmut Schleich und Vertreter aus Kommunal- und Landespolitik teilnahmen. Gleichzeitig starteten wir eine viel beachtete Postkartenaktion. Auf den Karten stand: „Grünes Licht für die Fuchstalbahn, Reaktivierung jetzt!“ mit Argumenten über die sich daraus ergebenden Vorteile. Bürger konnten diese an Politiker aus dem Kommunal-, Landes- und Bundesbereich verschicken.
Diese Aktion wiederholten wir auch bei weiteren Gelegenheiten. U. a. bei einer Demo der Fridays-for-Future-Bewegung in Schongau, einer Infoveranstaltung der »Aktion Buntes Fuchstal« in Asch und einer Podiumsdiskussion mit den Landratskandidaten in Weilheim. Die Postkartenaktion hält bis heute an.
Ein Effekt der Aktion war ein reger Briefwechsel zwischen dem Verkehrsministerium – von unserer Seite in Form offener Briefe. Der Briefverkehr führte zu einem regelrechten Schlagabtausch und zu entsprechenden Artikeln im Landsberger Tagblatt und den Schongauer Nachrichten. Vorläufiger Höhe- und Endpunkt war die Antwort von Norbert Moy (Vorsitzender von Pro Bahn Oberbayern) auf einen Serien-Antwortbrief des Verkehrsministeriums, in dem er die Argumente des Ministeriums gegen eine Reaktivierung dezidiert und mit Sachverstand zerpflückte.
Das letzte Quartal war von folgenden Themen geprägt:
Die Kreistagsbeschlüsse der Landkreise Landsberg und Weilheim-Schongau für eine Reaktivierung der Fuchstalbahn,
ein erstes Treffen der Bürgermeister der Anrainergemeinden in Schongau,
eine Stellungnahme des Arbeitskreises zum in Auftrag gegebenen Nahverkehrsplan des Kreises WM-SOG.
Teil 2
Nachdem im Teil 1 der turbulente Beginn des Arbeitskreises Fuchstalbahn, Gespräche mit der Politik, Öffentlichkeitsarbeit samt Postkartenaktion und des daraus resultierenden Briefwechsels mit dem Verkehrsministerium beschrieben wurde, geht es jetzt weiter mit drei Themenschwerpunkten seit Herbst/Winter 2019. Resumee und Aussicht unserer Arbeit schließen den Beitrag ab.
1. Wir erkannten sehr schnell, dass insbesondere die Fuchstalgemeinden in den Prozess einer Reaktivierung mit einbezogen werden mussten. Die meisten der direkt von einer Reaktivierung betroffenen Gemeinden liegen im Landkreis Landsberg/Lech. Gerade aus diesen Gemeinden und der Stadt Landsberg kamen aus unterschiedlichen Gründen Bedenken hinsichtlich einer Wiederinbetriebnahme. Anfang November fand dann auf Einladung von Schongaus Bürgermeister Herrn Sluyterman, ein Informations- und Meinungsaustausch der Bürgermeister aller Anrainergemeinden entlang der Strecke im Rathaus Schongau statt. Bis auf einen folgten alle der Einladung. Ein Mitglied des Arbeitskreises, der Vorsitzende von Pro Bahn Oberbayern und ein Verkehrsingenieur waren ebenfalls dabei. Niemand sprach sich ausdrücklich gegen eine Reaktivierung aus, Bedenken wurden aber geäußert. Gegen Ende des Treffens wurde aus den Reihen der Gemeindevertreter der Wunsch nach einem Eckpunktepapier laut, in dem das Vorhaben samt der sich für die Gemeinden ergebenden Probleme und Aufgaben beschrieben werden. Dies soll den Entscheidern auf kommunaler Ebene zur Orientierung dienen. Der dem Treffen beiwohnende Verkehrsingenieur erklärte sich bereit, ein solches Papier zu erstellen. Ein weiteres Treffen ist unter Vorlage des Eckpunktepapiers für den Sommer geplant.
2. Im Oktober und November befürworteten die Kreistage Landsberg und Weilheim-Schongau einstimmig aufgrund gleichlautender Anträge der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen die Reaktivierung des Personenverkehrs auf der Fuchstalbahnstrecke. In einem Antwortschreiben des Staatsministeriums an die Landrätin des Kreises WM-SOG, Frau Jochner-Weiß wurde der Beschluss jedoch als unvollständig gewertet. Ergänzt werden müssen die Beschlüsse um eine ‘vorbehaltlose Anerkennung der vier Reaktivierungskriterien des Freistaates Bayern‘. Diese Kriterien fordern u. a. ein Mindestmaß an Fahrgastpotenzial, betreffen die Anerkennung von Finanzierungsbedingungen sowie die Anpassung des Bussystems an die reaktivierte Strecke. Das weitere Vorgehen wird Thema in den nächsten Kreistagssitzungen sein. Sicherlich wird dieser Punkt noch einige Diskussionen unter den Kreisräten beider Kreistage hervorrufen.
3. Anfang Dezember fand eine Auftaktveranstaltung des Landratsamts Weilheim-Schongau zur Entwicklung eines Nahverkehrsplans (NVP) für den Kreis Weilheim-Schongau durch ein Kassler Planungsbüro statt. Zu dieser Veranstaltung fand sich auch ein Vertreter des Arbeitskreises ein. Als relevante Institution wurden wir danach um eine Stellungnahme zum künftigen NVP gebeten. Diese sandten wir Anfang Februar nach Kassel. Hierin vertraten wir die Position, dass eine reaktivierte Fuchstalbahn unverzichtbarer Teil eines integrierten Nahverkehrskonzepts sein muss. Während die Bahn das Mittelzentrum Peiting/Schongau mit dem Mittelzentrum Landsberg und der Metropole Augsburg auf einer Hauptverkehrsachse verbindet, dient ein optimiertes ergänzendes Bussystem zur Erschließung der Fläche und als Zubringer zu den Bahnhalten. Hier wurden aus unserer Sicht Ansätze für ein umfassenderes Verkehrskonzept erkennbar. Erste Ergebnisse des neuen NVP sollen im Sommer durch das vom Kreistag beauftragte Planungsbüro vorgestellt werden.
Einen u. a. von der Staatsregierung favorisierten Expressbus auf der Strecke Schongau-Landsberg-Augsburg lehnen wir nach wie vor ab. Dazu folgt ein weiterer Artikel.
Resumee und Ausblick
Wir haben innerhalb eines Jahres viel erreicht:
- die Bestandssicherung und Verhinderung der Streckenstilllegung,
- die Fuchstalbahn steht auf der Reaktivierungsliste des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen und seit neustem auf der Liste des Prüfungsausschusses für Reaktivierungen der Deutschen Bahn,
- die Beteiligung an einem erstes Treffen der Anrainerbürgermeister, ein Folgegespräch wurde (noch ohne Termin) beschlossen,
- ein erstes einhelliges Votum beider Kreistage für eine Reaktivierung,
- die Beteiligung an der Erstellung eines Nahverkehrskonzepts des Landkreises Weilheim-Schongau.
Ausblick
Wesentlich für weitere Erfolge in Richtung Reaktivierung sind:
- ein Ausbau unserer Kontakte zu den Mitstreitern/Mitstreiterinnen für eine Reaktivierung im Kreis Landsberg, insbesondere zu denen in der Region Fuchstal,
- eine Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit durch Aktionen, Stände, Pressearbeit etc., sobald die (Corona)Situation es wieder zulässt,
- ein ergänzendes Votum beider Kreistage für die Anerkennung aller Reaktivierungskriterien als Vorbedingung für eine (Fahrgast-)Potenzialuntersuchung durch die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG),
- eine Synchronisation der Zusammenarbeit zwischen Bürgermeistern/Gemeinderäte der Anrainergemeinden und den Mitgliedern beider Kreistage,
- Kontakte zu Vertretern/Vertreterinnen aus Politik und Wirtschaft, z. B. der IHK
Auch in diesen Zeiten ist der Arbeitskreis vor allem zwecks Informationsaustausch in Kontakt geblieben. Jetzt haben wir unsere Arbeit wieder aufgenommen. Wie beschrieben stehen genügend Themen an, die offensiv anzugehen sind.
Harald Baumann
Sprecher des Arbeitskreises Fuchstalbahn
in der Umweltinitiative Pfaffenwinkel
Mailadresse: Harbaumann@web.de