Etwa vierzig Zuhörerinnen und Zuhörer kamen am 6. November in den Genuss des Vortrags „Das Loch im Wald“, den die Umweltinitiative Pfaffenwinkel in Weilheim veranstaltet hat. Der Referent und Waldexperte Dr. Helmut Klein wollte vor allem das Faszinierende an der Lebensgemeinschaft Wald darstellen – und das ist ihm gelungen. Ganz nebenbei hat er aber auch wichtige Erkenntnisse vermittelt.
Ein Loch im Wald entsteht zum Beispiel durch das Ende der Lebenszeit eines Baumes (450 bis etwa 900 Jahre) oder durch Sturm und eventuell daran anschließenden Borkenkäferbefall. Riesige Ausmaße nehmen Löcher meist nur in Monokulturen an.
In geschlossenen Waldbeständen ist es relativ dunkel, kühl, windstill und feucht. Alle Bewohner haben sich daran angepasst. Auf einer Lichtung („im Loch“) hingegen ist es in der Vegetationszeit sonnig, wärmer, windiger und trockener. Das herumliegende Holz hält das Wild fern und Lawinen auf, bis es von Pilzen und Bakterien allmählich zersetzt und „recycelt“ worden ist. Einige Jahre dient das verrottende Holz als feuchtigkeitsspeichernder Rohhumus, auf dem die „Schwammerl“ (wie zum Beispiel der Zunderschwamm auf abgestorbenen Buchenstämmen) oder auch junge Bäume wachsen. Im Boden wird bei der Zersetzung gestorbener Pflanzen und Tiere Stickstoff freigesetzt und dadurch wandern Pflanzen („Stickstoffzeiger“) wie Bergahorn und Bergulme oder gar Holunder und Brennnessel ein.
An dem neuen Waldrand rund um das Loch kann die Sonne an der Rinde der an Schatten gewöhnten Bäume tödliche „Sonnenbrände“ verursachen, wenn nicht schnell wachsende Sträucher und die Zaunwinde für Schatten sorgen. Für einige Schmetterlinge (z. B. Kaisermantel, Waldportier) ist dann ein neuer Lebensraum entstanden.
Dann schließt sich das Loch allmählich. Aber wo kommen die Samen her? Die umstehenden Bäume produzieren in der Stresssituation besonders viele Samen („Notfruktation“), sodass später eine „Jungdurchforstung“ notwendig wird. Die übernimmt zum Beispiel der Hallimasch, der viele gestresste Keimlinge tötet. Nur die Pflänzchen haben eine Chance, deren Ansprüche am besten zu den entstandenen Lebensbedingungen passen („Survival of the fittest!“).
Zusätzlich lagert eine „Samenbank“ im Waldboden: Samen können dort sehr lange Zeit auf optimale Lebensbedingungen warten: zum Beispiel der Rotklee 40 Jahre, der Fingerhut 100 Jahre, der Besenginster 140 Jahre oder der Weiße Gänsefuß gar 1700 Jahre. Auf einem Quadratmeter Waldboden finden sich zigtausende „Samen“, die keimen, sobald sich ein Loch auftut.
Die Samen werden vom Wind zu der Lichtung geweht und von Ameisen angeschleppt oder von anderen Tieren am Fell und im Magen-Darm transportiert. Früchte sind unansehnlich und unauffällig, sie schmecken fad oder sogar bitter, solange sie nicht der Vermehrung dienen können. Erst wenn die Samen reif sind, werden sie süß, glänzend, farbig und leicht zu pflücken: Sie präsentieren sich den Tieren, damit die für deren Verbreitung sorgen.
Bodendecker wie die Brombeere schützen die zarten Keimlinge. Wie ein „Biozaun“ halten sie Wild ab und verhindern den Verbiss der Jungpflanzen. So kommen Pionierbaumarten hoch, wie zum Beispiel Vogelbeerbäume, Weiden oder Birken. Die leben nur etwa halb so lang wie die sogenannten „Schlussbaumarten“ (Buche, Eiche, Tanne, Fichte …) und schützen und fördern diese, solange sie jung sind.
Sogenannte „Schädlinge“ (Schalenwild sowie bestimmte Mäuse und Insekten) können sich nicht zu Massen vermehren und schädlich werden, wenn ihre „Fressfeinde“ da sind. Igel, Dachs und Spitzmäuse, Eulen und andere Vögel vertilgen Insekten. Fuchs, Wiesel, Wildkatze, Luchs und Wolf verhindern die übermäßige Vermehrung größerer Tiere. Falls die das nicht schaffen (oder ausgerottet sind), sollte der Mensch eingreifen und sie fördern.
Bei der Diskussion zeigte sich, dass Waldbesitzer unter den Zuhörern waren. Sie bestätigten die geschilderten Erfahrungen und die Aussage, dass das Geld für Neupflanzungen im Allgemeinen schlecht angelegt ist: Die Natur kann das besser und billiger, wenn man ihr die Möglichkeit und Zeit lässt.
Als Beweis für diese These dient zum Beispiel der Nationalpark Bayerischer Wald, wo nach dem Grundsatz gehandelt wird: „Natur Natur sein lassen“. Könnte dieses Prinzip nicht auch in dem staatlichen Bergmischwald vor unserer Haustür gelten, in einem Nationalpark Ammergebirge?