„Brauchen wir einen Nationalpark Ammergebirge oder brauchen wir nicht viel mehr?“ So hatte Dr. Josef Heringer seinen Vortrag am 14. September in Kreut zur Eröffnung der 6. Kunstausstellung betitelt. Gleich am Anfang sprach er sich gegen „Segregation“ aus: In den Städten macht man alles kaputt und zum Ausgleich soll in den Bergen eine intakte Welt erhalten werden. Die Menschen in den Städten wollen immer mehr Naturschutzgesetze und Schutzgebiete, den eigenen naturfeindlichen Lebensstil jedoch beibehalten.
Nein, jeder soll vor seiner Haustür und um sein eigenes Haus herum dafür sorgen, dass Biodiversität, dass Natur eine Chance hat. So kann jeder seine Sehnsucht nach Wildnis selber befriedigen und ein Rummelplatz in den Bergen zur Erholung der Stadtleute ist nicht nötig. Einen Nationalpark einzurichten, ist also zu wenig. Wir brauchen mehr.
Heißt das, wir brauchen keinen Nationalpark? Dr. Heringer gab zu bedenken, dass eine Gegend, die unter dem Ansturm der Besucher von Schloss Neuschwanstein und der Wieskirche ächzt, vielleicht nicht noch mehr Tourismus verträgt.
Dann erinnerte er an den ersten Nationalpark, den Yellowstone Park, aus dem die dort heimischen Indianerstämme verbannt wurden. Auch heute haben Almbauern und Menschen, die angrenzend an das projektierte Nationalparkgebiet Ammergebirge Grund besitzen, Angst vor Enteignung. Diese Sorge müsse man ebenso ernst nehmen wie die Abneigung gegen den Borkenkäfer, der wegen des Klimawandels immer weiter die Berge hinaufklettert. Schuld daran sei aber auch die Dominanz der Fichte im Ammergebirge, die Dr. Heringer beklagte und auf die Trophäensucht der Jäger zurückführte, wegen der das ungestört sich vermehrende Wild das Heranwachsen anderer Baumarten erschwere.
Ohne es zu beabsichtigen, lieferte Dr. Heringer Argumente für einen verbesserten Schutz der Bergwelt:
- Der steigende Holzpreis erhöht den Nutzungsdruck auf die Bergwälder, weil es sich lohnt, auch schwer zugängliche Bäume zu fällen. Doch wer zum Beispiel Holz ernten möchte, aus dem Musikinstrumente hergestellt werden können – was in Füssen lange Zeit üblich war (und wieder ist) –, müsse den Bäumen Zeit lassen. Das Handeln der Staatsforsten hingegen orientiere sich am schnellen Profit. Dagegen helfen keine Gesetze, dagegen müsse sich die Bevölkerung wehren. Warum nicht mit der Forderung eines Nationalparks?
- Auch die Moore in der Umgebung der Schlösser und der Wieskirche müssen besser geschützt werden (durch einen Nationalpark?) und dürfen nicht für touristische Infrastrukturmaßnahmen zerstört werden. Bauern sollten diese Landschaft pflegen und dafür ordentlich entlohnt werden.
- Ausländische Investoren strecken ihre Fühler nach unserem guten Wasser aus, um daraus Mineralwasser oder Strom, künstlichen Schnee oder Trinkwasser für wasserarme Gegenden zu machen, mit anderen Worten: um damit Gewinn zu erzielen. Einen Ausverkauf unserer Quellen und unseres Grundwasser gelte es zu verhindern (durch einen Nationalpark?). Die Bauern sollten Wasserwirte werden und sich verantwortlich fühlen für die Qualität unseres Grundwassers – und für naturverträgliches Wirtschaften Geld bekommen.
- Jeder müsse seine Probleme selbst lösen: die Stadt ihre und das Land seine.
Wir müssen unsere Sinne schärfen, um sich anbahnende Veränderungen früh wahrzunehmen. Wir alle seien Nachfahren der letzten Völkerwanderung. Bald werde es eine neue Völkerwanderung geben. Darauf müssen wir uns vorbereiten, damit wir den Wandel gestalten können.
Zum Schluss wünschte sich Dr. Heringer ein zukunftsfähiges Leitbild und plädierte für „Dematerialisierung“: mit immer weniger besser leben.
1 Kommentar
Wenn ich die Tendenzen zur Übernutzung unserer Landschaft sehe, z.B. Landschaftsschutzgebiete als Standorte von Windkraftanlagen, so empfinde ich den Wunsch Gebiete ganzheitlich der wirtschaftlichen Nutzung zu entziehen als folgerichig und unterstützenswert. R. Lüdeke