Mitglieder des Fördervereins Nationalpark Ammergebirge e. V., den auch die UIP unterstützt, informierten sich Anfang Juli bei einem dreitägigen Ausflug in den Bayerischen Wald.
Begrüßt wurde die Gruppe vom Leiter des Nationalparks, Dr. Franz Leibl, und es war kein Wunder, wenn bei seinem Vortrag Neid aufkam: Als 1970 der Nationalpark Bayerischer Wald eingerichtet wurde, stand sowohl die Bevölkerung dahinter (wegen der Aussicht auf Wirtschaftsaufschwung) als auch der Bayerische Landtag, der (nach mehrjährigem Streit) einstimmig den ersten Nationalpark (NLP) Deutschlands beschloss. Mit diesem Rückenwind konnte sich das Konzept „Natur Natur sein lassen“ auch gegen spätere Proteste durchsetzen.
Und dieses Konzept hat sich bewährt, wie die Besucher bei einer Wanderung auf den Lusen feststellen konnten: In den Hochlagen, wo nach Windwurf und Borkenkäferattacken die Bäume liegen bleiben durften, fand eine Vielzahl von Pflanzen optimale Bedingungen zur Wiederansiedlung vor und inzwischen ist alles wieder grün. Zitat Dr. Leibl: „Ein Borkenkäferbefall dient der flächigen Verjüngung der Bergfichtenwälder.“
Die Naturverjüngung funktioniert auch dank eines anfänglich radikalen und inzwischen sehr moderaten Schalenwild-Managements: Erlegt werden nur Wildschweine (wegen der Nachbarn und der Dorfenklaven) und Rotwild (Hirsche). Eine Ausbreitung des Rehwilds verhindern die Luchse. So finden sich in tieferen Lagen jede Menge junge Tannen, aber auch Buchen und Bergahorn.
Interessant ist der NLP als Wirtschaftsfaktor: Neben den 200 zum Teil hochprofessionellen Arbeitsplätzen im NLP, die der Freistaat Bayern bezahlt, entstanden etwa 500 neue Arbeitsplätze im Tourismus. Außerdem erteilt die NLP-Verwaltung Aufträge an regionale Handwerksbetriebe. Zum Vergleich: Ein Forstbetrieb anstelle des NLP käme mit 80 Arbeitsplätzen (meist im Niedriglohnbereich) aus und die Wertschöpfung (Einnahmen aus dem Holzverkauf) ginge zum großen Teil nach München zum Finanzminister. Es hätte keine zusätzlichen Investitionen vor Ort und keinen Aufschwung im Tourismus gegeben.
Michael Großmann, seit Jahrzehnten für den NLP tätiger Förster und Leiter der Nationalparkwacht, kennt den NLP wie seine Westentasche. Bei einer Wanderung auf den Lusen zeigte er den Besuchern, dass der NLP einzigartiges Anschauungsmaterial liefert für natürliche Entwicklungen. Nur wenn ein großes Gebiet über eine lange Zeit weg beobachtet werden kann, werden Zusammenhänge offenbar, die sich wieder an anderer Stelle nutzen lassen. Er stimmte die Fördervereinsmitglieder zuversichtlich, nicht nur weil nach der Gesetzeslage künftig viel mehr Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen, sondern auch weil sich die Einsicht durchsetze, dass es höchste Zeit ist, die noch vorhandenen Arten und deren Lebensräume wenigstens partiell zu schützen.
Bei dem anschließenden Spaziergang durch einen der alten Mischwälder des NLP staunte sogar ein anwesender ehemaliger Forstamtsleiter über die Tatsache, dass auf einem Hektar dieses unberührten Urwalds bis zu 1800 Festmeter Holz wachsen – mehr als doppelt so viel wie in einer Fichten-Monokultur.
Die Exkursion hat den Teilnehmern Mut gemacht. Denn wir können Vertrauen haben in die Natur und ihr die Umgestaltung des Waldes in einen ursprünglicheren Zustand überlassen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Ein Genuss für Auge und Seele!
Wo wir nicht eingreifen, laufen komplizierte ökologische Entwicklungen, die wir noch gar nicht alle verstanden haben, am besten ab. In einem Nationalpark können wir diese Abläufe studieren und anfangen, sie zu verstehen.
Hoffentlich gelingt es, das Ammergebirge als alpines Großökosystem, wo die Naturvorgänge weitgehend ohne menschliche Eingriffe ablaufen dürfen, zu schützen, bevor das Erhaltenswerte verloren geht!
(Fotos: Hans Ehrhardt)